Die Pflege ist eine Berufsgruppe. Sie ist eine Profession und eine Wissenschaft. Doch die Wissenschaft dahinter ist relativ jung. Menschen haben immer schon gepflegt, denn jeder Mensch benötigt Pflege – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Die Pflegebedürftigkeit beginnt mit der Geburt. Die Mutter pflegt ihren Säugling. Im Grunde genommen beginnt sie schon vor der Geburt. Indem eine Mutter sich um ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden bemüht, kümmert sie sich auch bestmöglich um ihr ungeborenes Kind. Im Laufe des Lebens nimmt diese Pflegebedürftigkeit meist ab, die Kinder wachsen idealerweise zu selbständigen Erwachsenen heran, die selbst in der Lage sind ihre Gesundheit zu pflegen. Mit zunehmendem Alter sind wir dann vielfach wieder vermehrt auf die Pflege von anderen Menschen angewiesen, auf die Pflege von Angehörigen oder auch von professionellen Pflegekräften. In Phasen der Krankheit oder bedingt durch unterschiedliche Behinderungen kann ebenso Pflegebedürftigkeit entstehen. Nicht immer ist es möglich, die Pflegebedarf innerhalb des Familiensystems zu gewährleisten. Durch verschiedene sozio-kulturelle Entwicklungen findet die Pflege nicht mehr wie früher hauptsächlich im häuslichen Umfeld statt. Der Bedarf an professionellen Pflegekräften steigt. Die Pflege steht vor allem die letzten zwei Jahrhunderte im stetigen Wandel. Der Pflegenotstand schreitet stetig weiter voran und erfordert neuerliche Veränderungen. Viele offene Fragen gilt es zu klären: Wie kann bestehendes Personal „gehalten“ werden? Wie können neue Pflegekräfte „gewonnen“ werden? Wie kann der seit langem fortschreitenden Abwanderung von qualifiziertem Gesundheitsfachpersonal ins Ausland entgegengesteuert werden? Und was passiert in der Zwischenzeit? Hier rückt der Begriff der Selbstpflege in den Vordergrund. Wenn Menschen in der Lage sind, sich in einem größeren Ausmaß selbst verantwortungsbewusst um ihre eigene Gesundheit zu kümmern, sinkt auch der Bedarf an professioneller Pflege.
Unter den Begriff Selbstpflege fallen alle gezielten und bewussten Handlungen, die ausgeübt werden, um Gesundheit und Wohlbefinden zu erlangen, zu erhalten oder wiederherzustellen. Dorothea Orem, eine amerikanische Krankenschwester und Pflegetheoretikerin entwickelte die Theorie der Selbstpflege, die 1971 im Buch „nursing concepts of practice“ veröffentlicht wurde. Der Bedarf an Selbstpflege orientiert sich an den Bedürfnissen des Menschen und ist somit abhängig vom Alter, dem Entwicklungsstand und dem aktuellen Gesundheitszustand des Individuums. Orem bezeichnet die menschlichen Bedürfnisse als „Selbstpflegeerfordernisse“ und teilt diese in drei Gruppen ein:
„Allgemeine bzw. universelle Selbstpflegeerfordernisse“ betreffen alle Menschen gleichermaßen. Hierzu zählen die Atmung, also die Aufrechterhaltung der Sauerstoffaufnahme, die Wasser- und Nahrungsaufnahme sowie die Ausscheidung.
In unterschiedlichen Lebensphasen ergeben sich außerdem „entwicklungsbezogene Selbstpflegeerfordernisse“. Als Säugling sind diese Erfordernisse anders, als bei Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen oder Menschen im hohen Alter (Orem definiert hier sieben unterschiedliche Phasen).
Die dritte Gruppe ist die der „gesundheitsbezogenen Selbstpflegeerfordernisse“, welche durch gesundheitliche Einschränkungen wie Krankheit oder Behinderung entstehen oder sich dadurch verschieben und verändern.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstpflege)
Damit Gesundheit erhalten, erlangt oder wiederhergestellt werden kann, müssen also die individuellen Bedürfnisse wahrgenommen, erkannt und ein adäquater Umgang damit entwickelt werden. Dies beinhaltet ebenso die Bereitschaft, Verantwortung für sich, das eigene Handeln und für die eigene Gesundheit zu übernehmen.
Die Selbstpflege beginnt mit Achtsamkeit. Erst wenn wir lernen wahrzunehmen, was ist, können wir die entsprechenden Selbstpflegeerfordernisse erkennen. (Zum Thema Achtsamkeit findest Du einen eigenen Blog-Beitrag auf meiner Seite.)
Der nächste Schritt ist die Selbstfürsorge, also sich bewusst Zeit für das zu nehmen, was dem Individuum dabei hilft, gut zu leben und die Gesundheit zu verbessern. Selbstfürsorge hilft dabei, Belastungen und Stress leichter zu bewältigen, resilienter zu werden und die Energie zu steigern. Selbstfürsorge ist ein Prozess, sich auf allen Ebenen um die eigene Gesundheit zu kümmern.
Zu der physischer Ebene zählen das Trinkverhalten, die Ernährung und Bewegung. Wer sich schon einmal mit bewusster Atmung auseinandergesetzt hat, weiß, wie wohltuend Atemübungen sein können im Gegensatz zu unserer meist unbewussten und oberflächlichen Atmung. Ebenso wichtig ist die Körperpflege, ausgewogener Schlaf und die Körperwahrnehmung, um damit Veränderungen im Körper, Verspannungen oder Schmerzen spüren zu können und entsprechende bewusste Handlungen zur Selbstpflege setzten zu können oder auch frühzeitig für professionelle Unterstützung zu sorgen.
Auf psychischer Ebene geht es unter anderem um das Erkennen der eigenen Grenzen. Es geht darum zu erkennen, was dem Geist gut tut, wie viele Reize gut verarbeitet werden können und wo es zu viel wird. Überforderung wirkt sich, ebenso wie Unterforderung, negativ auf unsere psychische Gesundheit aus. Auch unsere Einstellung, unsere Art und Weise zu denken, unsere Glaubenssätze haben einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Hier können ebenso gezielte Maßnahmen zur Selbstpflege getätigt werden.
Auf seelischer Ebene geht es darum, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und einen adäquaten Umgang mit ihnen zu entwickeln. Dieser Prozess steht in direkter Verbindung zu unserer psychischen Verfassung. Wir alle haben Emotionen, sie sind ein Teil von uns. Wir SIND jedoch nicht unsere Emotionen. Die emotionale Lage verändert sich, sie ist veränderbar. Wenn wir uns dessen bewusst werden, fällt es uns leichter, trotz dem Erleben von negativ bewerteten Emotionen handlungsfähig zu bleiben. Ebenso wichtig für die seelische Gesundheit ist es, selbst Antworten auf die Frage nach dem Warum, nach dem Sinn des Lebens zu finden. Auch dieser Prozess ist höchst individuell.
Es ist wichtig, dass wir uns selbst kennen, wissen wie wir sind, was wir machen, wie wir denken und wie wir uns fühlen, wenn es uns gut geht. Ebenso wichtig ist es, die eigenen sogenannten Frühwarnzeichen zu erkennen, zu merken, wenn es uns schlecht(er) geht und dann frühzeitig entsprechende selbstpflegerische Maßnahmen treffen. Dazu braucht es die Fähigkeit der Selbstreflexion. Das Reflektieren von eigenen Handlungen, Gedanken und Gefühlen hilft dabei, ein besseres Verständnis für sich selbst zu entwickeln. Und auch hier kann es zur Notwendigkeit einer professionellen Unterstützung unterschiedlichen Ausmaßes kommen.
Sich selbst am nächsten zu sein soll in diesem Sinne keinesfalls abwertend sein oder mit einer übertriebenen Egozentrik verwechselt werden. Ganz rational betrachtet, ist jeder Mensch sich selbst am nächsten. Nur ICH denke meine Gedanken. Nur ICH fühle meine Emotionen. Nur ICH spüre meinen Schmerz. Wir dürfen einen liebevollen Egoismus entwickeln, um zu erkennen, ob es uns gut geht, wir uns wohl fühlen und gesund sind. Dies bedeutet nicht, die Bedürfnisse anderer Menschen in einer für diese nachteiligen Form unter unsere eigenen Bedürfnisse zu stellen. Es bedeutet, dass jeder Mensch sich in erster Linie um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse kümmern muss, um aus der vollen Kraft heraus auch für andere sorgen zu können. Wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse permanent ignorieren und nicht adäquat befriedigen, führt dies unweigerlich auf Dauer zu einer Abnahme des Wohlbefindens und Krankheit resultiert vielfach. In diesem Zusammenhang ist die wohl am häufigsten gestellte Diagnose Burnout beziehungsweise Erschöpfungsdepression. Doch auch unzählige andere primär körperliche Erkrankungen können folgen. Die meisten kennen beispielsweise Symptome wie Nackenverspannungen, Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen, bedingt durch zu langes Verweilen mit fordernden Tätigkeiten ohne entsprechende Pausen der Selbstfürsorge.
Auch die soziale Ebene gilt es zu beachten. Es geht darum, Beziehungen zu anderen Menschen zu pflegen und auch hierfür bewusst Zeit einzuplanen. Dabei ist es wichtig, auf die Qualität der Beziehungen zu achten und auf die Bedürfnisse der eigenen Person einzugehen. Wir Menschen sind soziale Wesen, die sich im sozialen Gefüge wohl fühlen müssen, um gesund sein und bleiben zu können.
Alle Ebenen machen das menschliche Dasein aus und gehen Hand in Hand ineinander über und beeinflussen sich gegenseitig. Um gesund im Sinne der Definition sein zu können, müssen alle Bereiche im Einklang sein.
Die Möglichkeiten zur Selbstpflege sind sehr vielfältig, unterschiedlich und individuell. Regelmäßige Selbstfürsorge ist für gesunde Menschen im Sinne der Gesundheitsförderung wichtig. Noch wesentlicher ist sie im Sinne der Prävention von psychischen und physischen Beschwerden und Krankheiten und bei der Erhaltung von Wohlbefinden und Lebensqualität. Professionelle Hilfe kann auf unterschiedlichen Wegen in Anspruch genommen werden. Empfehlenswert ist es, dies frühzeitig zu tun. Denn wenn erst einmal Krankheiten auftreten, benötigt es in aller Regel ohnehin professionelle Unterstützung. Dann jedoch meist in größerem Ausmaß und über einen längeren Zeitraum, was nicht zuletzt auch mit mehr Aufwand und Kosten verbunden ist und meist auch mit mehr Leid für die betroffene Person. Außerdem ist es leichter, einen guten Zustand zu erhalten, als einen schlechten Zustand zu einem guten zu verändern.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Selbstfürsorge und Selbstpflege wichtige Bestandteile eines gesunden Lebens sind. Es geht darum, auf allen Ebenen des eigenen Seins aktiv zu werden und Verantwortung für die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu übernehmen. Eine bewusste und achtsame Lebensweise kann dabei helfen, Stress und Belastungen besser zu bewältigen, resilienter zu werden und ein erfülltes Leben zu führen.